Hexen, neue
Hexen als Teil des Neuheidentums
Wicca-Bewegung
Hexenkult
Strukturen der Bewegung: Covens, Initiation
Convenant of the Goddess
Pagan Federation
Hexen im Internet
Zum Verhältnis von Christen und Hexen
Anmerkungen
Hexen - FAQ
Wir kennen die „Hexenverfolgung“ als historisches Phänomen, und wir kennen die „Hexen“ auch aus Grimms Märchen. Seit den 1970er-Jahren sind „Hexen“ ein fester Bestandteil von unterhaltsamen Fernsehserien und sogar von Kinderprogrammen. Im weltanschaulichen Bereich gibt es aber eine ganz andere, religiös-spirituell ausgerichtete Wahrnehmung von „Neuen Hexen“.
Hexen als Teil des Neuheidentums
Der neue Hexenkult versteht sich als Renaissance der "Ur-Religion der Großen Göttin". Er bekennt sich zum "Neuheidentum", das sich die Überwindung des Christentums auf die Fahnen heftet. Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert entwickelt das Neuheidentum eine gegen den biblischen Monotheismus gerichtete Kritik, die die Natur in ihrem ursprünglichen Gutsein und ein Streben nach Humanität, Freiheit, Gerechtigkeit und Fortschritt sucht. In dieser neureligiösen Szene, die das Christentum als überholt ansieht, dominiert der Gedanke einer "ursprünglichen Religion", die die Einheit des Menschen mit der Natur und dem Kosmos als erstrebenswert ansieht. Im Gegensatz zum christlich-jüdischen Gedankengut wird eine eigene europäische, von den Kelten und Germanen, aber auch von "weisen Frauen" (Hexen) geprägte Religion bevorzugt. Es besteht ein großes Interesse an Magischem, Mythischem und Okkultem, von vorchristlichen Riten (Kraftplätze, heilige Haine) bis hin zu "Blut- und Boden-Mythologien", die im Dritten Reich ihren Niederschlag finden.
Wicca-Bewegung
"Wicca" bedeutet im Altenglischen so viel wie "Hexe". Nicht alle „neuen Hexen“ gehören zu den Wicca, aber die Wicca haben die Entwicklung der „neuen Hexen“ stark geprägt. Als Gründer gilt der Engländer Gerald B. Gardner. Er fühlt sich 1939 von einer Hexe namens
Dorothy Lutterbuck zum Hexenkult initiiert. 1965 schreibt er das Buch "Witchcraft to-day". Es wird zur Grundlage des englischen Wicca-Kults.
Im Wicca-Kult wird die "große Göttin" Mutter Erde und dreifache Mondin verehrt. Die zentrale Göttin, auch "Aradia" oder "Cerridwen" genannt, verfügt über alle Kräfte des Weiblichen. Ihr zur Seite steht der gehörnte männliche Gott "Cerunnos", auch "Herne" genannt. Im Hexenritual vertreten sie Priesterin und Priester. Sie werden als "Götter zum Anfassen" bezeichnet.
Hexenkult
Ziel aller Rituale ist die Harmonie des Menschen mit den göttlichen Kräften in der Natur und in sich selbst. Man glaubt an die Wiedergeburt der menschlichen Seele bis zurück ins Steinzeitalter und an ein Zusammenleben mit dem Kosmos.
Die Jahreskreisfeste verbinden über die Hexen hinaus viele neuheidnische Gruppen. Sie sind teils keltischen (Mondfeste), teils germanischen (Sonnenfeste) Ursprungs und werden auch Sabbats genannt. Die Mondfeste entsprechen Lichtmess, Walpurgisnacht, Erntedank und Halloween, die Sonnenfeste entsprechen den Sonnwend- und Tag-Nacht-Gleiche-Festen zu den Jahreszeitenwechseln.
In der Hexentradition gehören zur Feier Tanzen, Singen, Essen, Trinken und festliche Heiterkeit. Ein Teil der Mahlzeiten wird als Opfer für die Götter dargebracht. Magie wird als eine Kunst, welche die Veränderungen in der materiellen Welt und im Bewusstsein des Ausübenden erwirkt, definiert.
Strukturen der Bewegung: Covens, Initiation
Eine große Rolle spielt die Initiation, mittels der neue Mitglieder eingeführt bzw. in höhere Grade aufgenommen werden. Initiation ist am besten mit „Einweihung“ zu übersetzen. Nur durch dieses Ritual kann man zur Hexe werden. Bei den Wicca wird Wert darauf gelegt, dass die Initiation nur durch eine/n Wicca-Hohepriester/in erfolgen kann. In weniger hierarchischen Gruppen wie den freifliegenden Hexen oder den Teen-Witches gibt es die Möglichkeit der Selbst-Initiation.
Im Allgemeinen sind Hexen in Gruppen von maximal 13 Mitgliedern organisiert, den sogenannten Covens. Darüber hinaus gibt es fast keine Strukturen oder Verbände. Allerdings besteht auch die Möglichkeit, dass Hexen für sich alleine tätig sind; meist beziehen sie dann ihre Informationen aus Büchern und dem Internet.
Abgesehen von Dianischen Covens, in denen ausschließlich Frauen sind, kann man davon ausgehen, dass meistens fast gleich viele Männer wie Frauen vertreten sind.
Weltweit wird die Zahl der in Covens gebundenen Wiccas auf einige Zehntausende geschätzt, im deutschsprachigen Raum auf einige Tausend.
Convenant of the Goddess
1975 wird in Kalifornien die "Convenant of the Goddess" (COD) gegründet, die weltgrößte religiöse Organisation von neuheidnischen Hexen. Hier werden auch die Ziele definiert:
- Anstatt zu beten erreichen Hexen die Interaktion mit dem Göttlichen durch Magie. Die Naturkräfte werden durch den Willen gebündelt, und das Ziel wird erreicht, wenn der Wille des Göttlichen sich öffnet.
- Hexen haben kein Glaubensbekenntnis. Ihre Überzeugung braucht keinen Glauben, sie ist Tatsache.
- Hexen brauchen keine Kirchen. Ihre Orte sind die Natur, Felder, Berge, Sterne, Wind, Wald.
- Hexen sind Prophetinnen und brauchen auch keine geistigen Führer. Sie finden Gott in sich selbst.
- Hexen kennen auch keine Erlösung. Sie glauben an Inkarnation, einen Kreislauf, der sie immer wieder auf die schöne Erde zurückführt.
- Hexen respektieren ihre Vorfahren, d.h. die "Hexen" des Mittelalters, die verfolgt wurden und tragen deshalb ihren Namen mit Stolz.
Pagan Federation
Die Pagan Federation erreicht mit ihrer vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift "Pagan Dawn" eine Leserschaft von mehr als 10.000 Menschen und ist damit wahrscheinlich die größte neuheidnische Organisation. Hauptanliegen war ursprünglich der Kampf gegen Vorurteile und Intoleranz. Heute sieht sich Pagan Federation eher als Plattform und loser Dachverband verschiedenster Neuheiden. Die Mitglieder verpflichten sich zur Einhaltung folgender drei Grundsätze:
- Liebe und Verbundenheit mit der Natur, Respekt gegenüber den Kräften des Lebens und dem ewigen Kreislauf von Leben und Tod.
- "Solang du andern nicht schadest, tue, was du willst!" als Grundsatz einer positiven Moral mit individueller Verantwortung zur Entfaltung der eigenen Natur in Harmonie mit der Umwelt und Gesellschaft.
- Verehrung des Göttlichen, ohne Unterdrückung der männlichen oder weiblichen Aspekte der Gottheiten.
Hexen im Internet
Eine weitere Welle der Popularisierung von verschiedenen neuheidnischen Strömungen gab es europaweit in den 90er-Jahren, die sich auch in einem gesteigerten Interesse an Hexengruppen auswirkte. Ebenso hat die zunehmende Bedeutung des Internets zur Folge, dass sich Menschen zuhause alleine mit magischen Ritualen befassen. Das entspricht durchaus unserem heutigen Zeitgeist.
Nicht zuletzt musste schließlich auch die moderne Hexenbewegung erleben, dass ihre Rituale, ihre Magie und ihre Utensilien – im Sinne einer „Wellness-Esoterik“ – von „esoterischen“ Geschäftemachern gegen gutes Geld verkauft und vermarktet werden.
Zum Verhältnis von Christen und Hexen
Über einige Grundsätze und Bräuche der Hexen und des Neuheidentums kann man sicher gut ins Gespräch kommen. Manche der Rituale und Festtage sind ja auch christlich integriert oder interpretierbar. Auch über die Bedeutung der Naturverbundenheit und des Naturschutzes, der Gemeinschaft in der Gruppe und der Liebe sowie über die positive Moral
gibt es sicher viele Anknüpfungspunkte. Allerdings verstehen die meisten Hexen und Neuheiden ihrerseits ihre Position als bewusste und deutliche Ablehnung und Abgrenzung zu Christen und Kirche.
Das Thema der mittelalterlichen Hexenverfolgung spielt in diesem Zusammenhang nur selten eine Rolle und hat faktisch jedenfalls keine Bedeutung.
Anmerkungen
Rituelle Bräuche wie die "Heilige Hochzeit" oder magische Arbeit können zartfühlende Menschen überfordern. Es wird zwar verlangt, niemandem zu schaden, doch wird zugegeben, dass "wie in vielen anderen Religionen gewissenlose Menschen sich als spirituelle Lehrer ausgeben und Suchende ausbeuten können". Offen bleibt deshalb die Frage, wie Wicca in einer an sich beinahe anarchischen Organisationsstruktur und in Gruppen, die nach außen hin zur Geheimhaltung verpflichtet sind, diese schwarzen Schafe eruieren und ihnen die weiteren Priesterfunktionen verbieten wollen.
Manche Seiten im Internet beschreiben Rituale, die bei tatsächlicher Durchführung psychisch oder körperlich äußerst gefährlich werden können. Die notwendige Abgrenzung zwischen Phantasie und Realität geschieht oft nicht. Auch oder gerade hier ist die fragliche oder fehlende Kontrolle ein großes Problem.
HEXEN - FAQ
Stimmt es, dass Hexen nackt in der freien Natur tanzen?
Das kann vorkommen, ist aber nicht bei allen Hexen so. Gerald Gardner, der Begründer der Wiccas, war überzeugter Nudist. Traditionelle Wicca-Covens verlangen deshalb rituelle Nacktheit. Die moderneren Covens nehmen davon Abstand.
Sind Hexen Satanisten?
Die meisten Hexen legen Wert darauf, nicht mit Satanisten in Verbindung gebracht zu werden. Der gehörnte Partner der Großen Göttin habe nichts mit dem Teufel zu tun. Andere Hexen sehen durchaus Verbindungslinien und Gemeinsamkeiten mit dem Satanismus, so z.B. die Bedeutung der Magie, die positive Sicht der weiblichen Sexualität, die persönliche Freundschaft von Gardner und Crowley, u.a.m.
Was bedeutet „Weiße Magie“?
Magie wird als eine natürliche menschliche Fähigkeit gesehen, die in unserer Gesellschaft weitgehend brach liegt. Ein wichtiger Ehrenkodex unter Hexen besagt, dass durch die Magie niemandem etwas Schlechtes angetan werden darf, denn das Böse komme dreifach auf die Hexe zurück. Zum Unterschied von dieser „Weißen Magie“ bezieht die „Schwarze Magie“ auch Schadenszauber und negative Kräfte mit ein. Allerdings wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass diese Unterteilung zwischen weiß und schwarz nicht funktioniert, denn magische Rituale seien einfach Kräfte, aus denen man Gutes oder Böses machen kann.
Kann ein magisches Ritual wirklich etwas bewirken?
Es ist klar, dass etwas woran man glaubt, auch etwas bewirkt. Ein Ritual verändert auf jeden Fall die eigene Gestimmtheit und Selbstsicherheit. Ein Ritual kann aber auch die Wahrnehmung der Tatsachen verändern, also sozusagen eine eingebildete Wirkung verursachen. Man muss daher „Magie“ keineswegs mit „Zauberei“ gleichsetzen. Die Frage ist, welche Art von „Wirkung“ man von einem Ritual erwartet.
Literatur
R. Decker, Hexen - Magie, Legenden und Wahrheit, Darmstadt 2004;
M. Frenschkowski, Die Hexen - Eine kulturgeschichtliche Analyse, Wiesbaden 2012;
V. Hegner, Hexen der Großstadt. Urbanität und neureligiöse Praxis in Berlin, Bielefeld 2019
B. Neger, Moderne Hexen und Wicca – Aufzeichnungen über eine magische Lebenswelt heute, Wien / Köln / Weimar 2009;
M. Pöhlmann (Hg.), Neue Hexen – Zwischen Kommerz, Kult und Verzauberung, EZW-Texte 186, Berlin 2006;
H. Sebald, Hexen damals – und heute?, Frankfurt 1990.
Bernhard Dobrowsky / Meinrad Föger, 2020