Buch der Wahrheit
Inhalte
Verbreitung
Zur Person „Maria Divine Mercy“
Das Ende von „Maria Divine Mercy“
Weitere Entwicklungen
Das "Buch der Wahrheit“ ist eine Sammlung von 1.335 Botschaften, die eine gewisse „Maria Divine Mercy“ im Zeitraum vom 8. November 2010 bis zum 6. Mai 2015 von der Gottesmutter Maria, von Jesus und von Gott direkt empfangen haben soll. Auf Deutsch werden die Botschaften in 4 Bänden unter dem Titel „Das Buch der Wahrheit“ vertrieben.
Zielgruppe der Botschaften sind vor allem Menschen mit katholischem Glaubenshintergrund, die von der Offenheit der katholischen Kirche gegenüber der Gesellschaft enttäuscht sind und sich eine vorvatikanische, priesterzentrierte Kirche wünschen, die den Menschen klar vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen haben, um in den Himmel zu kommen.
Inhalte
Die Botschaften sind von einer apokalyptischen Weltsicht geprägt, in der die Wiederkunft von Jesus Christus kurz bevorsteht. Wie im letzten Buch der Bibel, der „Offenbarung des Johannes“ beschrieben, werden als Zeichen der Wiederkunft die Zunahme von Kriegen und Naturkatastrophen benannt. Vor allem aber wird als Vorzeichen dieser Wiederkunft die Abwendung der Menschen von Gott beschrieben die darin sichtbar wird, dass die Menschen vom Glauben abfallen und keine Ehrfurcht mehr vor Gott haben. Dieser „Verfall“ zeigt sich laut den Botschaften besonders darin, dass viele Priester und Bischöfe nicht mehr den „wahren“ Glauben verkünden und die Kirche deshalb von innen her zerstören. Durch die „liturgische und moralische Verwahrlosung“ der Priester werden auch die Gläubigen von Gott weggeführt und Satan preisgegeben. Die Botschaften des „Buches der Wahrheit“ fordern die Gläubigen deshalb dazu auf, sich gegen diesen Verfall zu stellen – durch Rosenkranzgebet, durch Verehrung der Gottesmutter, durch häufiges Beichten, durch regelmäßige Anbetung des Leibes Christi, durch oftmalige Feier der Eucharistie, durch Gebet für die „heiligen“ Priester und durch Kauf von Devotionalien, die von Jesus oder der Muttergottes in den Botschaften aufgetragen wurden. Tätige Nächstenliebe und Einsatz für eine gerechtere Welt spielen bei den Botschaften keine Rolle.
Eine Besonderheit der Botschaft des „Buches der Wahrheit“ besteht darin, dass es im Nachfolger von Papst Benedikt XVI. auf dem Stuhl Petri, Papst Franziskus, jenen „Antichrist“ erkennt, der in Prophezeiungen des Buches schon vor dem Rücktritt von Benedikt XVI. am
13. Februar 2013 angekündigt wurde. In diesen Prophezeiungen hieß es, dass als ein Zeichen der nahen Wiederkunft Christi der amtierende Papst vom Stuhl Petri vertrieben würde, der Antichrist auf den Stuhl Petri kommen und die Kirche von innen her zerstören werde. Nach dem Amtsantritt von Papst Franziskus wurden viele seiner Initiativen zur Öffnung der Kirche und seine kritischen Worte gegen den Klerikalismus und die Priesterzentriertheit der Kirche in den darauffolgenden Prophezeiungen gegeißelt und als Bestätigung dafür genommen, dass er der „Antichrist“ auf dem Stuhl Petri ist.
Verbreitung
Die Botschaften des „Buches der Wahrheit“ fanden vor allem über das Internet Verbreitung. Die englische Originalwebsite (www.thewarningsecondcoming.com) ist nicht mehr erreichbar, im deutschsprachigen Raum werden die Botschaften über die Homepages www.dasbuchderwahrheit.de und www.mutterdererloesung.de nach wie vor vertrieben. Immer wieder werden auch grafisch sehr einfach gehaltene Inserate in regionalen Medien und auf Plakaten mit Inhalten wie z.B.: „Kreuz am Himmel wird (baldige!) ‚Seelenschau‘ ankündigen! www.dasbuchderwahrheit.de“, geschalten. Sie sollen dazu motivieren sich die Homepage anzusehen.
Gezielt werden auch Priester und Bischöfe angeschrieben mit der Aufforderung, die Botschaften des „Buches der Wahrheit“ sehr ernst zu nehmen und unter den Gläubigen zu verbreiten. Dadurch kamen auch innerhalb der katholischen Kirche die Botschaften zu einzelnen rechtskatholischen und charismatischen Gruppen, die gewisse Inhalte der Botschaften durchaus befürworteten und auch die Sicht auf „den Verfall des Glaubens und die Schlechtigkeit der Welt“ teilten. Das führte und führt in betroffenen Pfarrgemeinden zu nicht unerheblichen Verunsicherungen und Verwirrungen.
Da es seit Mai 2015 keine neuen Botschaften mehr gibt, werden die vorhandenen 1.335 Botschaften vor allem auf den beiden genannten deutschsprachigen Homepages rege vermarktet, inklusive Devotionalien- und Bücherverkauf. Es gibt aber auch einzelne (Gebets-)Gruppen, die die Botschaften für authentisch halten und als Weisungen für ihr Leben betrachten.
Zur Person „Maria Divine Mercy“
Recherchen des irischen Theologen und Priesters Ronald Conte jr. und des „Midmay Street“-Blog haben zu Tage gebracht, dass es sich bei „Maria Divine Mercy“ um die irische PR-Frau Mary Carberry handelt, die unter ihrem Mädchenname Mary McGovern seit Beginn der 80-iger Jahre eine PR-Agentur [1] führt. Die Agentur arbeitete erfolgreich und erhielt für ihre Arbeit Anfang der 2000-er Jahre mehrere Auszeichnungen und Preise. 2009 geriet Carberry mit ihrer Firma in finanzielle Turbulenzen und es drohte der Verlust ihres Privatbesitzes, zu dem auch ein ansehnliches Einfamilienhaus im „angesagten“ Dubliner Vorort Malahide gehörte, welches sie viele Jahre davor um € 850.000,- erstanden hatte und mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern, Sarah und David, bewohnte. Die Hypotheken auf das Haus wurden im Jahr 2010 von den Banken fällig gestellt. Einige Monate später begannen die „Eingebungen“ der Botschaften des „Buches der Wahrheit“.
Laut Eigenaussage von „Maria Divine Mercy“ in einem Interview auf „Radio Maria“ am 11.10.2011 wurde sie am 8. November 2010 um 3:00 Uhr morgens wach und hatte ein verändertes Körpergefühl. Das Bild von Jesus, dass sie auf ihrem Nachtkästchen stehen hatte, lächelte sie freundlich an und sie hatte plötzlich das Gefühl sie würde in Besitz genommen und müsse ihre erste Prophezeiung niederschreiben, die ihr direkt von Jesus eingegeben wurde. Ab diesem Zeitpunkt hatte sie über mehrere Jahre fast täglich solche „Eingebungen“.
Zum Zeitpunkt dieser ersten „Eingebung“ hatte Carberry allerdings schon über zwei Jahre für den irischen Seher und Heiler Joe Coleman die Homepage und die Öffentlichkeitsarbeit mit ihrer Agentur gemacht. Sie hat schon vor dem 8. November mit dem oben genannten irischen Priester, Ronald Conte jr., der damals als Spezialist für Erscheinungen galt, kommuniziert und davon berichtet, wie wertvoll die Visionen von Coleman für die Welt seien, und dass sie gemeinsam mit Coleman schon mehrere Visionen gehabt habe.
Diese beiden Gegebenheiten legen die Vermutung nahe, dass Carberry das „Sehergeschäft“ und die spiritistische Welt durch Coleman kennengelernt hat und wohl auch in diese eingeführt wurde. Von einer „plötzlichen Bekehrung“ oder „plötzlichen himmlischen Eingebung“, wie am Anfang des „Buches der Wahrheit“ suggeriert, kann man somit wohl nicht ausgehen.
Dass hinter der Veröffentlichung der Prophezeiungen eine gewisse Form von Kalkül steckten könnte, legt ein weiterer Umstand nahe: Laut Michael Hesemann, Historiker und Autor, der den Fall „Maria Divine Mercy“ für das katholische Internetportal kath.net recherchiert hat, hat sich Carberry schon am 2. Juni 2010, also fünf Monate vor der ersten „Eingebung“, mit einem privaten Facebook-Account als „Maria Divine Mercy“ angemeldet.
Laut Hesemann stand Carberry mit dem aus Deutschland stammenden und in Australien lebenden „Kirchengründer“ Wilhelm Kamm alias „Little Pebble“ in Verbindung. Dieser bestätigte bereits am 18. November 2010 auf seiner Homepage www.marianworldofatonement.org (ist nicht mehr im Netz abrufbar) als erster die „Echtheit“ der Prophezeiungen der „Maria Divine Mercy“ und unterstützte fortan die Verbreitung ihrer Botschaften.
Kamm, 1950 in Köln geboren, ist früh nach Australien ausgewandert und behauptete, dass er sich seit seinem 18. Geburtstag mit der Gottesmutter und mit Gott selbst unterhalten kann. Seit 1983 berichtete er von regelmäßigen Erscheinungen der Mutter Gottes und Jesus, die ihm seine „göttliche Mission“ offenbarten. Er sollte in der Zeit der bevorstehenden Apokalypse die Kirche bis zur Wiederkunft Christi anführen. Als Zeichen der Demut nannte er sich im Gegensatz zu Petrus, dem Felsen, „Little Pebble“, kleiner Kieselstein. Zu diesem Zweck gründete er eine Kommune, die er „Orden des hl. Charbel“ nannte. Dieser Orden wurde 2002 offiziell von der Katholischen Kirche verurteilt. Eine der „Offenbarungen“ Kamms lautete, dass er nach dem Tod von Johannes Paul II der nächste Papst sein würde. Allerdings wurde er 2005, als Johannes Paul II starb, wegen Unzucht mit Minderjährigen zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt. 2007 folgte eine weitere Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs eines 15-jährigen Mädchens.
Das Bindeglied zwischen Carberry und „Little Pebble“ ist wahrscheinlich die Schwiegermutter von Kamm, Christine Lammermann. Christine Lammermann lebt noch heute im Hauptquartier Kamms und vertreibt dort Gesundheitsprodukte. Sie zählte zu den aktivsten Promotoren der „Warnungs-Botschaften“ der „Maria Divine Mercy“. Der oben genannte amerikanische Blog „Midway Street“ vermutet in Lammermann sogar eine „Ghostwriterin“ der Botschaften von „Maria Divine Mercy“. Lammermann stand vermutlich über einen gewissen Breffni Cully, der sie auf seiner Google+-Seite als eine von insgesamt nur zwei vorhandenen „Freunden“ führte, mit Carberry in Verbindung.
Cully zählte zu den engsten Vertrauten von Carberry. Er hielt nicht nur unter dem Pseudonym „Joseph Gabriel“ in den USA Seminare über die „Warnung“, sondern hatte gemeinsam mit der Tochter von Mary Carberry, Sarah Carberry, 2012 den Verlag „Trumpet Publishing Limited“ aus der Taufe gehoben. In dessen Tochterunternehmen „Coma Books“ – „Trumpet Publishing Limited“ ist 100% Eigentümerin – das im Februar 2013 als Unternehmen registriert wurde, erschienen sämtliche original- und fremdsprachigen Ausgaben des „Buches der Wahrheit“.
Sarah Carberry zog sich Anfang 2013 wieder aus dem Unternehmen zurück. An ihre Stelle trat nun der deutsche Martin Roth aus Köln, der auch die beiden oben genannten deutschsprachigen Webseiten „Buch der Wahrheit“ und „Mutter der Erlösung“ verantwortet und nach wie vor die deutschsprachigen Ausgaben des „Buches der Wahrheit“ vertreibt, ebenso die diversen Devotionalien, die mit dem Buch der Wahrheit in Verbindung stehen.
Das Ende von „Maria Divine Mercy“
Anfang 2015 erschien das Gratis-E-Buch „The Outing of Mary Carberry“ von Mark Saseen. Saseen ist ein katholischer Blogger, der wie Ronald Conte jr. „Maria Divine Mercy“ auf der Spur war und umfassende Recherchen zu ihr anstellte. In diesem Buch zeigte er die einzelnen Firmenverflechtungen von Carberry auf, auch ihre Verbindungen zu Coleman und Kamm werden penibel dargestellt.
Ein Exemplar des Buches von Saseen gelangte in die Hände des irischen Reporters Michael O´Farrell, der am 1. Februar 2015 in der Sonntagszeitung „The Mail on Sunday“ in einem doppelseitigen Artikel öffentlichkeitswirksam die Identität von „Maria Divine Mercy“ enthüllte. Zuvor hatte er noch mit Carberry Kontakt aufgenommen und um eine Stellungnahme gebeten, auf die sie sehr ungehalten reagierte: „Ich werde mich nicht zu Internet-Trollen äußern, die versuchen, mein Leben zu zerstören, weil ich für jemanden einen Job erledigt habe. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe“, antwortete sie. Auf die Frage des Reporters, um welche Art von „Job“ es sich dabei gehandelt habe und wer ihr Auftraggeber gewesen sei, verlor sie gänzlich die Contenance: „Ich kann mich mit diesem Mist nicht befassen. Tut mir leid. Wenn sie ehrlich diesen Sch… glauben, dann tun sie das!“[2]
Nach der Veröffentlichung des Berichtes fanden die Prophezeiungen alsbald ein Ende. Wurden im Jänner 2015 noch 21 Botschaften veröffentlicht, kamen nach dem „Outing“ am 1. Februar insgesamt nur noch 10 Botschaften zur Veröffentlichung: acht im Februar, eine im März und die letzte am 6. Mai 2015. Der Tonfall dieser letzten Botschaften hat sich gegenüber den Botschaften vor dem 1. Februar spürbar verändert und man merkt, dass hier zu einem Rückzugsgefecht angesetzt wird. So heißt es z.B. in der Botschaft vom 13. Februar 2015: „Meine Mission zur Rettung der Menschheit ist fast abgeschlossen. Meine Restarmee hat sich formiert. Ihr wurdet mit dem Siegel des Lebendigen Gottes, der Medaille der Erlösung und den Kreuzzuggebeten beschenkt. Sie sind eure Waffen im Kampf gegen Meinen Widersacher. Ich werde von jetzt an nur noch zeitweise zu euch sprechen, und durch die Restarmee. Ihr seid nun bereit, eure Waffen aufzunehmen und dafür zu kämpfen, dass Mein Wort an diesem trostlosen Ort am Leben erhalten wird.“
Weitere Entwicklungen
Der Artikel von O´Farrell vom 1. Februar hat also die Mutter Gottes und Jesus innerhalb weniger Wochen „zum Schweigen gebracht“, nicht jedoch das „Geschäft“ mit den Botschaften. Der Vertrieb der Schriften und der Verkauf der – preislich vollkommen überhöhten - Devotionalien (die „Medaille der Erlösung“ – ein kleines geprägtes Blechplättchen kostet € 1,-; ein „Skapulier mit Siegelgebet“ – eine Lederschnur mit zwei aufgeklebten Papierblättchen mit Text – bekommt man um € 1,20; ein Holzkreuz mit (Plastik-?)Corpus – das Kreuz „des Siegels des lebendigen Gottes“ – gibt es um schlanke € 33,-; einen Rosenkranz mit den „einzigen authentischen Perlen“ – worin die Authentizität dieser Perlen besteht, geht aus der Preisliste nicht hervor – um € 17,--) schreiten munter voran. Die Geschäftsidee dahinter scheint weiterhin gut zu funktionieren.
Aber auch die Verunsicherung – wie eingangs erwähnt – in so manchen katholischen (Gebets‑) Gruppen ist nach wie vor gegeben, obwohl es schon im April 2014 von Seiten der Erzdiözese Dublin, zu der der Wohnort von McGovern gehört, eine klare Stellungnahme darüber gegeben hat, dass die Privatoffenbarungen der „Maria Divine Mercy“ mit der katholischen Lehre nicht in Einklang zu bringen und deshalb abzulehnen sind.
Literatur
M. Hesemann, Die Hintergründe der „Warnung“, in: Katholische Nachrichten - kath.net vom 25. November 2013; URL: http://www.kath.net/news/43821 (Abrufdatum: 22.05.2019)
M. Hesemann, Das Ende der „Maria Devine Mercy“, in: Katholische Nachrichten kath.net vom 2. Februar 2015: http://www.kath.net/news/49289 (Abrufdatum: 22.05.2019)
Midway Street Blog, URL: https://midwaystreet.wordpress.com/ (Abrufdatum: 22.05.2019)
Ronald L. Conte Jr., Rejection of the Catholic Church by Maria Divine Mercy, URL: https://ronconte.com/2013/11/13/rejection-of-the-catholic-church-by-maria-divine-mercy/ (Abrufdatum: 22.05.2019)
Helmut Kirchengast, 2019
[1] Die Agentur ist noch immer aktiv: https://mcgovernpr.com/
[2] M. Hesemann, Die Hintergründe der „Warnung“, in: Katholische Nachrichten - kath.net vom 25. November 2013; URL: http://www.kath.net/news/43821 (Abrufdatum: 22.05.2019)